Gianna Nannini: "Ich bin wie eine alte Stradivari" (2024)

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Zur Person
Gianna Nannini: "Ich bin wie eine alte Stradivari" (1)

Gianna Nannini wurde am 14. Juni 1954 in Siena (Italien) geboren, Tochter eines Konditors und Schwester des ehemaligen Formel-1-Fahrers Alessandro Nannini. Sie studierte Literatur und Philosophie. Hits wie "Bello e impossibile", "Latin Lover" oder "Un'estate italiana" machten sie zur erfolgreichsten Rocksängerin Italiens. 2010 wurde Nannini, die sich für Frauenrechte einsetzt und offen zu ihrer Bisexualität bekennt, mit 56 Jahren Mutter einer Tochter. Mit ihr lebt sie in London, Mailand und Siena.Tourdaten im April 2017:
2. April Nürnberg, 3. Stuttgart, 5. Düsseldorf, 6. Ravensburg, 7. München, 9. Hamburg, 10. Berlin - mehr Informationen zur Tournee gibt es hier

einestages: Frau Nannini, ist der 8. Juli 1990 für Sie ein besonderes Datum?

Nannini: Hm, lange her. Die Fußballweltmeisterschaft, nicht wahr? Das war sicher der Tag des Finales in Rom. Das Datum ist für mich nicht so besonders wie für euch Deutsche. Ich war beim Endspiel im Stadion...

einestages: ...und Sie lieferten mit "Un'estate italiana" ("Ein italienischer Sommer") die Hymne dieser WM.

Nannini: Im Duett mit Edoardo Bennato. Half aber nichts, wir flogen ja im Halbfinale gegen Argentinien und Maradona raus. Ich habe Deutschland daher den Finalsieg gegen Argentinien gegönnt. Vielleicht hat ja mein Song der Elf sogar geholfen, Weltmeister zu werden (lacht). Mir wurde gesagt, dass deutsche Spieler wie Lothar Matthäus italienische Musik mögen.

einestages: Stimmt es, dass Sie "Un'estate italiana" erst gar nicht aufnehmen wollten?

Nannini: Richtig. "Un'estate italiana", eine Nummer von Giorgio Moroder, war mir zu kommerziell, überhaupt nicht mein Stil. Ich habe den Song nur meinem Vater Danilo zuliebe gemacht, der war Fußballnarr und früher Präsident des Drittligaklubs Siena Calcio. Papa machte mir klar, dass es eine große Ehre sei, dieses Lied zu singen. Dabei bin ich selbst gar kein Fußballfan, ich spiele lieber Tennis. Heute bin ich aber stolz auf den Song, in Italien zehn Wochen auf Platz eins. Bei meinen Konzerten spiele ich ihn immer als Zugabe.

einestages: Ihr Vater war in Siena ein angesehener Zuckerbäcker mit eigener Konditorei. War nie geplant, dass Sie eines Tages in seine Fußstapfen treten?

Nannini: Doch. Aber ich war schon immer zu abenteuerlustig und wollte meine Freiheit - und eben nicht geschäftlich an die Familie und Siena gebunden sein. Mein Vater war ziemlich streng. Damit hatte ich bei aller Liebe oft Probleme. Bevor er vor zehn Jahren starb, hat er das Geschäft, also die Pasticceria, die Kaffeerösterei und das Café, an meinen jüngeren Bruder Alessandro übergeben. Er leitet heute den Betrieb, ein Familienunternehmen mit langer Tradition. Unser Großvater Guido hat es vor fast 100 Jahren gegründet. In seinem Café stand damals die erste Espressomaschine der Stadt.

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einestages: Mussten Sie in jungen Jahren in der Backstube mithelfen?

Nannini: Wie das bei Familienunternehmen so üblich ist. Als junges Mädchen machte mir das Spaß. Und ich konnte mein erstes Geld verdienen. Ein gutes Gefühl.

einestages: Früher waren Sie also noch nicht so rebellisch wie später als Rockstar?

Nannini: Doch! (grinst) Ich fing schon als Mädchen an, mich gegen meinen Vater aufzulehnen. Er war ein Patriarch alter Schule, sehr konservativ. Mit 18 bin ich ausgerissen. Erst habe ich in Lucca Klavier studiert, später in Mailand Philosophie und Literatur. Ich war neugierig auf das Leben, wollte frei und ungebunden sein, schlug mich als Pianistin in Bars und Cafés durch. Bis ich mir bei der Arbeit in einer Bäckerei den halben Daumen abgesäbelt habe. Das war's dann mit Klavierspielen.

einestages: Ihr Philosophiestudium haben Sie später mit "summa cum laude" abgeschlossen.

Nannini: Das war 1994, ich war längst als Sängerin bekannt, habe aber immer nebenbei weiterstudiert. Meine Abschlussarbeit trug den Titel "„Il corpo nella voce" ("Der Körper in der Stimme"). Ich versuche, Erkenntnisse aus der Philosophie in meine Liedtexte einfließen zu lassen, um sie poetischer zu machen.

einestages: Wann haben Sie Ihre Stimme entdeckt?

Nannini: Mit sieben Jahren, im Schulchor habe ich richtig Singen gelernt. Ich war ziemlich gut, meine Stimme klang damals noch ganz anders (lacht). Zu dieser Zeit wurde der Wunsch in mir wach, Sängerin werden zu wollen. Musik wurde mein Leben und Künstler zu sein eine Lebensentscheidung. Ganz oder gar nicht! So bin ich.

Gianna Nannini: "Ich bin wie eine alte Stradivari" (2)

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Gianna Nannini: Freiheitsstatue mit dild* statt Fackel

Foto: ullstein bild

einestages: Ihre Verehrung für Janis Joplin hatte damit auch zu tun.

Nannini: Sie ist noch heute mein großes Vorbild. Seit ich ihre Stimme zum ersten Mal hörte, war nichts mehr wie zuvor. Dabei kam ich nur durch Zufall auf sie.

einestages: Inwiefern?

Nannini: Als ich Mitte der Siebzigerjahre nach Mailand gezogen war, meinte eine Bekannte, ich sähe Janis Joplin total ähnlich. Und ich so: Wem? Sie war mir kein Begriff. Also besorgte ich mir ihre Platten und war vom ersten Ton an gefesselt. Ich konnte Janis leider nie live erleben, sie starb 1970. Später habe ich Songs wie "Me and Bobby McGee" auf Italienisch gecovert - einmal durfte ich sogar mit ihrer Band "Big Brother and The Holding Company" live auftreten. Die Musiker waren geschockt, wie nah ich dem Original kam.

einestages: Mit ihrem ersten richtig erfolgreichen Album "California" lösten Sie 1979 einen Skandal aus.

Nannini: Das war abzusehen im kreuzkatholischen Italien. Schon das Cover provozierte - die Freiheitsstatue mit einem dild* statt einer Fackel in der Hand. Und die Texte waren ziemlich selbstbewusst feministisch. Im Song "America" ging es um Selbstbefriedigung, so was war absolut undenkbar bis dahin. In Italien hatten Frauen damals brav in die Kirche zu gehen, ihre Arbeit zu machen und sonst schön den Mund zu halten. Nicht mit mir! Es war aber nicht nur als sexuelle Anspielung gedacht: Das Cover war auch ein Statement für die Leute, die alles aus Amerika automatisch cooler fanden - Musik, Filme, Mode. Das war so ein Ami-Trend damals.

einestages: 1982 landeten Sie mit "Latin Lover" einen Ihrer größten Hits. Schlagzeug spielt darauf der Deutsche Jaki Liebezeit, der mit der Band Can berühmt wurde und im Januar 2017 starb.

Nannini: Sein Tod hat mich ziemlich mitgenommen. Jaki war ein toller Drummer und ein guter Freund, all die Jahre sind wir in Kontakt geblieben. Kennengelernt hatte ich ihn Anfang der Achtzigerjahre in Deutschland über Conny Plank, der meine Platte produzierte. Jaki wollte mich jetzt im Frühjahr in London besuchen. Der Tod kam ihm zuvor.

einestages: Zurzeit sind Sie wieder auf Tournee. Woher nehmen Sie - mit immerhin 62 - die Energie für Ihre kraftzehrenden Konzerte?

Nannini: Ich bin von Natur aus ziemlich sportlich, früher habe ich viel Tennis gespielt, heute mache ich Pilates und Cardio-Training. Sport schützt mich davor, krank zu werden. Meine Energie ziehe ich aber genauso aus meinen Songs, sie inspirieren mich. Ich könnte mich nicht auf eine Bühne stellen und langweilige Lieder singen - aber das habe ich als Komponistin und Texterin ja selbst in der Hand.

einestages: Und wie halten Sie Ihre Reibeisen-Stimme in Schuss?

Nannini: Ich mache gar nichts, niente! Habe ich nie. Meine Stimme ist, wie sie ist. Kein Training, höchstens mal ein Glas guten Wein.

einestages: Ihr Organ klingt aber wie mit Grappa oder Whisky geölt.

Nannini: (lacht) Whisky und Grappa - nein, nein, die Zeiten sind vorbei. Ab und zu trinke ich mal einen Mojito, aber am liebsten Rotwein...

einestages: ...den Sie auch selbst produzieren.

Nannini: Stimmt. Das Weingut Certosa di Belriguardo habe ich geerbt, es gehört seit dem 15. Jahrhundert unserer Familie und liegt außerhalb von Siena, mitten in einem Chianti-Gebiet. Ich habe mich auf Rotweine spezialisiert, mithilfe von Renzo Cotarella, einem der besten Winzer Italiens. Mein Favorit ist der "Baccano", ein Sangiovese. Da bleibt es meist nicht bei einem Glas.

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einestages: Was bedeutet Freiheit für Sie?

Nannini: Viel! Das Wichtigste: Ich darf ich selbst sein, so wie ich bin. Freiheit bedeutet, dass man andere und Andersdenkende respektiert, auch in puncto Sexualität. Dass man auch mal gegen den Strom schwimmt. Und Freiheit ist auch der Fahrtwind, den ich in meinen Haaren spüre, wenn ich mit meinem Motorrad, einer 500er Honda, übers Land brause.

einestages: Bedeutet frei sein auch, wie Sie mit 56 Jahren noch Mutter werden zu können?

Nannini: So sehe ich das. Die Leute sollen ruhig reden, es ist letztlich meine Sache. Ich bin jedenfalls sehr froh, meine Tochter zu haben.

einestages: Altern im Showbiz kann hart sein. Haben Sie je Schönheits-OPs in Erwägung gezogen?

Nannini: Den Scheiß mache ich nicht mit. Diesem oberflächlichen Jugendwahn möchte ich mich nicht unterwerfen. Altern muss auch so gehen, auf natürliche Art. Ich fühle mich heute wie eine alte Stradivari-Geige - in Würde gealtert und dabei sogar noch wertvoller geworden.

Gianna Nannini: "Ich bin wie eine alte Stradivari" (2024)

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Job: Senior Farming Developer

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